Dienstag, 22. März 2011

Screwtapes Aktivitäten

Timothy Dolan, Erzbischof von New York, veröffentlichte in seinem Blog eine Begegnung an einem Flughafen (Dank an sensuum defectui!), die ihm verdeutlichte, welches Bild von Klerus die Berichterstattung in den Medien, der "vierten Gewalt",in der sogenannten ersten (aka "zivilisierten") Welt verbreitet.

Mag dieser Vorfall auch ein wenig abgedroschen klingen - auch ich kenne die abgedroschenen Phrasen, mit denen man konfrontiert wird, wenn man sich zur katholischen Kirche ohne das typisch deutsche Wenn und Aber bekennt.

Passendt dazu der Kommentar eines Chris M, der sich im Verlauf seines Beitrags als Priester bezeichnet. Er beginnt damit, dass das Ganze schon sehr abgedroschen klinge, aber dem Bischof wohl Gelegenheit gegeben habe, die Argumente vorzutragen, warum Priester nicht die "schlimmste" Gruppe unter den Kindesmisshandlern seien, und nennt das Ganze eine "gute Predigt. Im Folgenden stellt er fest, dass in Dublin, wor er sich kürzlich aufgehalten habe, im Gegensatz zu früher kaum noch klerikale Kleidung im Straßenbild sichtbar seie, obwohl sicherlich nicht weniger Priester und Ordensleute sich in der Öffentlichkeit bewegten. Der dortige Klerus habe offensichtlich erkannt, dass es die Dinge leichter mach, nicht in klerikaler Kleidung herumzustolzieren, bis sich die Erregungskultur gegen Kirche und Klerus belegt habe.
Dies empfiehlt er im Folgenden auch dem Erzbischof (als habe dessen Kleidung den Passanten zu einer hässlichen Bemerkuing provoziert, deren er sich dann hätte erwehren müssen.).
Und dann legt Cheris M los:

I am a Catholic priest myself, and I have for long known that we have many sins and failings both personally and institutionally. I know also that many of my fellow clergy do not live up their high calling. Some do. Many don’t. And, I’ve worked out for myself that the root cause for most of our clergy difficulties and dysfunction is the unreasonable demands that are placed on priest, in particular the requirement of celibacy which most are not really called to. It leaves them emotionally, psychologically, affectively and sexually distorted and damaged. For most it is not a blessing, but a curse which handicaps them and leads some in to very damaging and dysfunctional lives. For the majority, it simply makes them unhappy and unfulfilled individuals.

Diese Argumentation, die leicht ebenso abgedroschen ist, wie der Verfasser von der "guten Predigt" behauptet, kennen wir Deutschen ja zur Genüge: Weil der Zölibat furchtbar schwer zu leben ist, muss er weg.
Tolles Argument. Basiert es doch entweder auf der stillschweigend vorausgesetzten Prämisse, dass Chistus das "Reich Gottes" in einem munteren weltlichen Dasein mit Lebensabschnittsgefährten ganz gleich welchen Geschlechts, Spaß und Unterhaltung gesehen habe. Oder (was eigentlich noch einen Tacken arroganter ist) es setzt stillschweigend voraus, dass Christus selbst unmögliche Forderungen gestellt habe, weil er einfach nicht richtig kapiert habe, wie Menschen ticken.

Den heutigen Stand der Wissenschaft als der Weisheit letztem Schluss zu postulieren, und den eigenen Lifestyle zum Maßstab für eine richtige und gesunde Lebensführung zu machen, ist ja nichts Neues. Dieselbe Arroganz begründet jenen namenslosen Ismus, der andere Kulturen (ob geographisch oder historisch anders) für defizitär erklärt. Hätte Erzbischof Dolan sich zivil gekleidet (wie Chris M zumindest in der aktuellen Lage für richtig hält), wäre er sicherlich unerkannt und damit unbehelligt vom Flughafen in die Stadt gekommen (wie Chris M sich das ja offenbar für sich selbst wünscht), aber er hätte nicht die Gelegenheit gehabt, einen Menschen freundlich argumentierend von einer irrigen Überzeugung abzubringen (was Chris M offenkundig völlig wurscht ist). M.A.n. war Erzbischof Dolans Handlungsweise beispielhaft, und qualifiziert die Äußerungen seines Kritikers als das was sie sind: unchristlich.

Donnerstag, 17. März 2011

Mittwoch, 16. März 2011

Hosianna!

Die Tatsache, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert, der sich als engagierten Katholiken sieht, vor kurzem eine „zeitgemäße“ Fassung des Vaterunser geschrieben und veröffentlicht hat, charakterisiert diesen Mann hinreichend. Halleluja, wandelte der Herr heute noch unter uns, er wäre wie Norbert Lammert!

Und da wir nun wissen, dass Jesus Christus heute so handeln würde wie Norbert Lammert es tut, so wähnt sich Norbert auch sicher, dass es im Geiste des Herrn ist, wenn er sich heute mutig gegen die Pläne der Bundesregierung stellt, die angesichts der Katastrophe in Japan sieben Atomkraftwerke vorübergehend abschalten möchte. Hosianna! Seht das Lammert Gottes, das hinweg nimmt die Fehler der Welt.

Montag, 14. März 2011

Soll das ein Witz sein???

„Singen muss Spaß machen. Wenn Songs groovig und poppig sind, machen sie Spaß, dann wird das Singen emotional.
[...] (Dieter Falk) sprach sich dafür aus, das NGL stärker mit Elementen gängiger Popmusik zu gestalten, denn gerade Popmusik könne ansprechen und berühren. „Junge Menschen sind umgeben von Popmusik, und diese Musik wollen sie auch in der Kirche wiederfinden“, so Falk. In einer „Meisterklasse“ zeigte Falk an vier Beispielliedern den jeweiligen Komponisten, wie sich ihre Lieder in Richtung gängiger Popmusik entwickeln ließen. Die Akkorde müssten vereinfacht und mehr eingängige Wiederholungen eingebaut werden; außerdem sei es hilfreich, die Tonlage tiefer anzusetzen. Großes Potential sah Falk auch im Ausdruck der Stimmen: „Löst die Handbremse in euren Köpfen, traut euch mit Körpereinsatz zu musizieren und habt keine Angst vor denen, die das kritisieren.“ Es ginge dabei nicht darum, die klassischen Wurzeln des NGL zu vergessen, sondern darum, die Lieder origineller zu machen.
Quelle: Mehr Pop im Neuen Geistlichen Lied, Kurzbericht anlässlich einer Fachtagung auf dem Freisinger Domberg von 11. bis 13. 3. 2011- Erzbistum München und Freising)

Das gehört wohl zur liturgischen Erneuerung, also zum "notwendigen Aufbruch". Allerdings bezweifle ich, dass man mit den Weisheiten eines Mitstreiters von in die Jahre gekommenen Schlagerstars und Retortenbands heutige Jugendliche nachhaltig begeistern kann. Mir kommt dabei der hoffnungsfrohe Einsatz von Songs aus der Woodstock-Ära in der Hl. Messe in den Sinn. Die Initiatoren (meist 1950/60er Jahrgänge) begeistert das ja immer sehr.

Mag sein, dass so was in evangelikalen Megaevents funktioniert - die mir bekannten (meist nicht-katholischen!) Jugendlichen kriegen bei diesem Sound bestenfalls einen Würgreflex - womit wir wieder beim Verb "brechen" und der semantischen Frage notwendiger Aufbrüche wären.


Trotzdem Danke an Stanislaus, der diese Replik im Netz ausgrub ... ;-)

Samstag, 12. März 2011

Hybris

Was soll man noch sagen?

Fortschritts"gläubige" haben eine Technik zur Stromerzeugung vorangetrieben, deren Kernbereich letztendlich nur unter bestimmten Bedingungen kontrollierbar ist, und zur Rettung all unserer materiellen Sorgen ausgerufen.

Aber die Erde ist kein starres Ding, kein dienstbarer Sklave unserer Begehrlichkeien, sondern ein aus vielen Teilen zusammengesetztes, deren Dynamik ihren eigenen Gesetzen folgt, deren Auswirkungen wiederum unsere Vorstellungen immer wieder sprengen.

Wir sind wie Kinder, die mit einerim Moor gefundenen Mörsergranate spielen und denken, da werde schon nichts passieren.

Nein, inzwischen sind wir wie die Kinder dieser Kinder, die uns diese Mörsergranaten zum Spielen geben in der Annahme, da werde schon nichts passiern.

Und wenn es passiert, war es immer eine vollkommen außergewöhnliche und deshalb nicht vorhersehbare Situation.

Wir meinen, uns unsere eigene Welt schaffen zu können, eine Welt, die nach unseren Regeln zu unserem Nutzen zu funktionieren habe, und übersehen alle Anzeichen, die diese Meinung als Selbstbetrug entlarven.

Wir sind nicht die Herren der Welt, wir sind ihre Hüter. Wir sind schlechte Hüter, weil wir uns zu ihren Herren aufgeschwungen haben. Es ist keine Strafe, dass wir Katastrophen verursachen und unsere eigenen Lebensgrundlagen vernichten, sondern die ebenso logische wie natürliche Konsequenz unseres eigenen Hochmuts, unserer eigenen Missgunst, unserer eigenen Trägheit, unserer eigenenVerschwendungssucht, unserer eigenen Maßlosigkeit, unserer eigenen Habgier, unserer eigenen Raserei.

Gnade uns Gott!

Buten awer güng de Storm, un bruusde dat he kuum up den Föten staan kunn: de Huser un de Bömer waiden um, un de Baarge beewden, un de Felsenstücken rullden in de See, un de Himmel wöör ganß pickswart, un dat dunnerd un blitzd, un de See güng in so hoge swarte Bülgen as Kirchentöörn un as Baarge, un de hadden bawen all ene witte Kroon von Schuum up. Do schre he, un kun syn egen Woord nich hören,
„Manntje, Manntje, Timpe Te,
Buttje, Buttje in der See,
myne Fru de Ilsebill
will nich so as ik wol will.“
„Na, wat will se denn?“ säd de Butt. „Ach,“ säd he, „se will warden as de lewe Gott.“ „Ga man hen, se sitt all weder in’n Pißputt.“
Door sitten se noch bet up hüüt un düssen Dag.

(aus:Von dem Fischer un syner Fru, aus: Jacob u. Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Bd. 1. Ausgabe letzter Hand, 1857)

Freitag, 11. März 2011

Ein Ruck

Kardinal Schönborn mahnt in einem heute erschienen Interview in der Presse an:
In einem Land, das immer noch sehr stark obrigkeitsstaatlich geprägt ist, ist der Reflex generell: Die da oben müssen was machen, ob das die Kirche oder die Politik ist. Ich wünsche mir von den Bürgern, speziell auch von den Katholiken, dass sie sich mehr zu Wort melden zu gesellschaftlichen Fragen, zu Zukunftsfragen. Dieser Ruck sollte durch unser Land gehen im Sinne einer bewussten Teilnahme der Zivilgesellschaft am Leben des Landes. Die katholische Soziallehre sagt, dass sich das Maß der Lebendigkeit einer Gesellschaft am Maß ihrer Partizipation bemisst.

Genau das ist bereits geschehen, Eminenz, mit der Petition Pro Ecclesia, die die Initiatoren eigentlich dem Vorsitzendenn der DBK, Erzbischof Zollitsch, überreichen wollten, was aber nicht erreicht werden konnte.

Domradio meldet über die aktuelle Bischofskonferenz u.a.:

Gespannt sein darf man, wie die Bischöfe den bundesweiten Dialogprozess fortschreiben, den der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, beim Herbsttreffen in Fulda angestoßen hatte. Die Bischöfe wollen einen Rahmen dafür festlegen, wie sie untereinander und zusammen mit den Orden, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und anderen kirchlichen Einrichtungen über den Glauben in der modernen Welt ins Gespräch kommen wollen.

Das ZdK hat sich bereits die Äußerungen des Theologen-Memondum zu eigen gemacht, was angesichts der Behauptung, im Namen aller deutschen Katholiken zu sprechen, reichlich unverfroren ist, wenn man den doch recht regen Widerspruch gegen diese "Reformanregungen" ansieht.

Wer sind denn diese "anderen kirchlichen Einrichtungen", mit denen man ins Gespräch kommen will?

Oder werden die mehr als zwölftausend Laien, die die Petition unterzeichnet haben, in diesem Diskurs als zu vernachlässigende Größe angesehen?

Mittwoch, 9. März 2011

Angelus

Jean-François Millet: Angelus
Vor einigen Tagen habe ich wieder damit angefangen. :-)

Das Angelus-Gebet ist eine alte Gebetstradition in der katholischen Kirche.
Der jüdischen Tradition folgend, beteten schon die frühen Christen mehrere Male am Tag, eine Tradition, die in den monastischen Bewegungen zum Stundengebet entwickelt wurde.
Im Mittelalter entstand in der lateinischen Westkirche das Ave Maria als Mariengruß. Es bestand zunächst nur aus der Anrede Mariens durch den Engel Gabriel ("Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir." Lk 1,28) und einer angefügten Seligpreisung. Die zweite Zeile, die Bitte um Fürsprache, wurde erst später hinzugefügt.


Franziskus von Assisi verehrte die Gottesmutter sehr und verfasste selbst einen Mariengruß; in seinen Briefen pries er Menschen, die es ihr darin gleichzutun versuchten, Wohnung allein für den Herrn zu werden: "O wie selig und gebenedeit sind jene Männer und Frauen, wenn sie dies tun und darin ausharren, denn auf ihnen wird der Geist des Herrn ruhen und er wird sich bei ihnen eine Wohnung und Bleibe schaffen. …Mütter (Christi) sind wir, wenn wir ihn durch die göttliche Liebe und ein reines und lauteres Gewissen in unserem Herzen und Leibe tragen; wir bringen ihn zur Welt durch ein heiliges Wirken, das anderen als Vorbild leuchten soll." (Brief an die Gläubigen I, 7 und 10)
Aleksander Gierymski: Angelus
Ein weniger bekannter unter seinen Mitbrüdern, Benedikt Sinigardi von Arezzo, stellte etwa 1241 dem Mariengruß die Worte "Angelus Domini nuntiavit Mariae" ("Der Engel des Herrn sprach zu Maria") voran. Dreißig Jahre später empfahl Bonaventura seinen Mitbrüdern, die Muttergottes jeden Abend dreimal zu grüßen. Dies ist die früheste Erwähnung des Angelus. Ende des 13. Jh. begannen die Benediktiner von Montecassino, morgens und abends bei Glockengeläut diesen dreimaligen Mariengruß zu beten. Der abendliche Mariengruß wurde von Papst Johannes XXII. 1318 allgemein für verpflichtend erklärt.

Anfang des 16. Jhs. hatte es sich bereits durchgesetzt, dreimal täglich das Angelus bei Glockengeläut zu beten, nachdem etwa hundert Jahre zuvor angeesichts der osmanischen Bedrohung das mittägliche Gebet ebenso verordnet worden war.

Seine heutige Form erhielt das Angelus-Gebet 1571 durch Papst Pius V. und wurde durch Petrus Canisius in Deutschland verbreitet.
Mitte des 18. Jhs. schrieb Benedikt XIV. für die Osterzeit das Regina coeli anstelle des Angelus-Gebets vor.
Seither erfolgten keine Änderungen mehr, und Paul VI. äußerte sich 1974: "Dieses Gebet bedarf keiner Reform – es hat nach so langer Zeit nichts von seiner Kraft und seinem Glanz verloren, seine Struktur ist einfach und der Heiligen Schrift entlehnt – der historische Ursprung mahnt, für Frieden und Sicherheit zu beten – in seiner zeitlichen Ansetzung heiligt es gewissermaßen (wie das liturgische Stundengebet) den Ablauf des Tages [...]"
Als tägliches Gebet des Papstes in der Öffentlichkeit wurde es allerdings erst durch Johannes Paul II. bekannt, eine junge Tradition, die Benedikt XVI. weiterführt.

Kirche San Salvador, Sta Cruz de La Palma
Wahrscheinlich habe ich jetzt niemandem etwas Neues erzählt; dennoch möchte ich auf die lange Dauer dieser volkstümlichen Traditionhinweisen, die erst im vergangenen Jahrhundert wegzubrechen begann. Dabei ist dieses Gebet eine wunderbare Möglichkeit auf sprituelle Weise die Einheit der Kirche zu bezeugen. Und das ohne großen Aufwand. Gerade weil man mittags meist wenig Zeit hat, wie es Menschen in allen Zeiten gegangen ist. Die gezeigten Gemälde verdeutlichen anschaulich diesen "Sitz im Leben".

Noch deutlicher erfuhr ich diesen "Sitz im Leben", als wir 2007 auf La Palma bei der Besichtigung der Hauptkirche der Insel,vom Geläut überrascht wurden. In den Bänken hatten sich Menschen versammelt; dann trat eine ältere Frau an den Ambo und leitete im typisch kanarischen Dialekt (d.h. mit südamerikanischem Zungenschlag) das Gebet ein. Abgesehen von ihrer Stimme und dem Chor der Versammelten war es völlig still im Kirchensaal.

In diesem Moment wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass in dieser Zeitzone zugleich viele Menschen in Kirchen oder auf dem Feld, unterwegs oder zuhause die gleichen Worte sprachen und eine alte Tradition fortsetzten, die ihren Anfang nicht zuletzt beim heiligen Franziskus genommen hat.

Gejammer?

Las ich doch kürzlich in Carstens Blog:
Genial: Hatte ein nettes Gespräch mit einem Jugendlichen, der Feuer & Flamme für Kirche ist und auch beruflich einsteigen will. In einigen Jahren.
Nicht so prickelnd: Ganz viel Gejammer in meinem Google-Reader – Sparte “katholisch”
Kann ich verstehen: So viele aufgebrachte und verständnislose Beiträge auf beiden Seiten. Vieles liegt daran, dass die Positionen in einem völligen Gegensatz stehen, unvereinbar sind - A vs. nicht-A.

Ich für meinen Teil bin wieder katholisch geworden, weil die katholische Kirche eben nicht komplett weltzugewandt und verzeitgeistet ist. Ansonsten hätte ich eine andere christliche Gemeinschaft gewählt. Die Auswahl ist schließlich groß genug. Versucht habe ich es, aber es gab zu vieles, das mir unausgegoren und nicht zu Ende gedacht erschien.

Jammert man, wenn man Tendenzen, die eine Verweltlichung und Verzeitgeistung nach sich ziehen, für seine Kirche ablehnt und sich dagegen zu Wort meldet?

Lieber Carsten, ich fürchte, wir werden bald kaum noch junge Menschen finden, die wahrhaftig Feuer und Flamme für Kirche sind und auch beruflich einsteigen wollen, womöglich gar eine Berufung erfahren, wenn alles Bestreben darauf hinausläuft, Innenbild und Außenbild der Kirche einander anzugleichen, indem man säkulare Entwicklungen aufnimmt und die spirituelle Magersucht wie gewohnt fortsetzt.

Die Privatisierung des Glaubens ist eine Folge der Erosion von Spiritualität in der Kirche - nicht zuletzt in der universitären Theologie.

Montag, 7. März 2011

Immer wieder Thomas

Benozzo Gozzoli: Hl. Thomas von Aquin
Heute ist der Tag des Hl. Thomas von Aquin, meines ganz speziellen Heiligen. Er war der erste, der für mich eine Brücke geschlagen hat zwischen Glaube und Vernunft und gezeigt hat, dass beides eben keine unvereinbaren Gegensätze sind, sondern einander bedingen. Dass es einen blinden, unvernünftigen Glauben gibt, der die Vernunft auszuschalten versucht, und eine ebenso blinde Vernünftigkeit, die nicht (an)erkennt, dass das Tun der Vernunft, das logische Denken, letztendlich immer auf unbeweisbaren Grundannahmen basiert, weil es in jedem Gedankengebäude mindestens eine Prämisse gibt, zu der keine Schlussfolgerung hinführt, die also ein unvbeweisbares und unbelegbares Axiom, ein Postulat bleibt.

Thomas hatte bei aller Beschaulichkeit ein bewegtes Leben, wanderte durch fast ganz Europa. Er lehrte an mehreren Universitäten und schuf ein gewaltiges Œvre an philosophischer und theologischer Literatur, bestehend aus Kommentaren zu biblischen Texten ebenso wie zu Schriften des Aristoteles und anderer Philosophen und Kirchenväter, Lehrtexten und den beiden systematischen opera maiora betitelt Summa theologica und Summa contra gentiles. Aber die Kirche verdankt ihm auch einige der schönsten und tiefsten Hymnen und wohl auch die Liturgie zum Fronleichnamsfest, dessen Einführung und Verbreitung er wegen seiner eucharistischen Frömmigkeit vorantrieb. Man schrieb ihm Visionen zu, und wenige Monate vor seinem Tod soll ihn ein mystisches Erlebnis veranlasst haben, seine rege Autorentätigkeit vollkopmmen einzustellen.
Keine fünfzig Jahre nach seinem Tod wurde Thomas heiliggesprochen. Im Laufe der Jahrhunderte führte die Verwendung seiner Schriften in der Klerikerausbildung dazu, dass er zum bedeutendsten Kirchenlehrer für die katholische Kirche wurde, dessen Denken auch heute noch wirkt.

Ich habe ihm in meinem aktuellen Roman ebenfalls ein kleines Denkmal zu setzen versucht. Der Grund ist einfach: Landauf landab herrscht ein völlig unbewiesenes Postulat vor, dass die Unvereinbarkeit von Glaube und Vernunft behauptet. Ganz gleich wie oft diese These widerlegt und zerpflückt wird, ihre stete Wiederholung macht sie zu einem unheilvollen Mantra, das aus allen Kanälen dröhnt und jede Widerlegung mit immer größerer Lautstärke übertönt.

Um so wichtiger ist es, diesen Tag zu begehen als den Gedenktag dessen, der eine lebendige Widerlegung dieser irrigen These ist.


"Maximum autem beneficium alicui impenditur, si ab errore ad veritatem reducatur." (De divinis nominibus / Von den göttlichen Namen cap. 13 l. 4)

Freitag, 4. März 2011

Auf-Bruch

Die Sprache der Reformer stößt mir ständig auf. Abgesehen von dem ständig beschworenen Wörtchen "Reform", über das noch zu sprechen wäre, ist immer wieder von "Aufbruch" die Rede, vom "Aufbrechen". Die Reformer denken dabei ausschließlich an die Bedeutung des "sich Aufmachens", "Losgehens". Dabei wird auch das "Zerbrechen" gefühlter Fesseln beschworen. Immer wieder ist von "starren Hierarchien", "verkrusteten Strukturen", "lähmendem Stillstand" die Rede, davon dass "die vielleicht letzte Chance zu einem Aufbruch aus Lähmung und Resignation" verspielt werde usw.

Die "Reformer" sehen sich dabei durchaus in der Nachfolge der Reformatoren des 16. Jhs., die inzwischen vor allem als "Befreier" gedeutet werden, wobei der Freiheitsbegriff nicht kritisch-hermeneutisch, sondern rein verbal und damit völlig naiv übernommen wird. Weil Luther Schriften mit Titeln wie Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche und Von der Freiheit eines Christenmenschen schrieb, wird automatisch (und damit unreflektiert und somit naiv!) angenommen, dass Luther unter "Gefangenschaft" und "Freiheit" das gleiche verstand wie Paulus und wie wir heute. Als gäbe es keine Bedeutungswandel gerade bei abstrakten Begriffen.

Die dramatische Rhetorik des "Aufbrechens" enthält allerdings auch eine simple sprachliche Komponente, die wesentlich klarer aufzeigt, wohin diese Reformen führen würden - nämlich zu den gleichen Konsequenzen wie die Reformation des 16. Jhs.: zu einem Bruch, der ja schon im gewählten Begriff enthalten ist. Zum Bruch mit der Tradition. Zum Bruch mit "Rom". Zum Bruch mit der apostolischen Sukzession. Zum Bruch mit dem, was Kirche dem Neuen Testament zufolge ist. Zu Apostase und Schisma.

Von Theologen - also Geisteswissenschaftlern - hätte ich 500 Jahre nach der Reformation mehr kritische Reflexion erwartet.

Dienstag, 1. März 2011

Zeichen der Zeit?

Die Redaktion von Christ in der Gegenwart nahm in der aktuellen Ausgabe die lebhaften Befreiungsbewegungen in der arabischen Welt zum Anlass, in ihrer Rubrik Der aktuelle Artikel unter dem Titel Zeichen der Zeit ein grundsätzliches Statement zu formulieren, um die Reformationsbestrebungen in der katholischen Kirche journalistisch zu unterstützen (1).

"Die schweren Unruhen in der arabischen Welt", heißt es dort, "sind auch ein Aufstand junger Leute gegen die ewige Herrschaft der alten Männer, ihrer Sippen und Erben, die bloß fortsetzen, was immer schon war."
Aha. Diejenigen, die nach Reformen rufen, sind also schon allein aus demographischen Gründen vor allem "junge Leute", die gegen eine "ewige Herrschaft der alten Männer" aufbegehren. Das Anmahnen von Reformen hat demzufolge also etwas mit Jugend(lichkeit) zu tun - also auch damit, geistig jung geblieben zu sein. Schließlich ist ja auch die Tatsache des ewigen Generationenkonflikts eine Binsenweisheit

Und weiter geht 's im folgenden Absatz: "Schon jetzt warnen weitsichtige Religionsgelehrte, dass es für den Islam höchste Zeit sei, sich Reformen zu öffnen."
Aha. Es sind die "weitsichtigen", d.h. die modernen (= die guten) unter den Islamgelehrten, die Reformen einfordern, denn schließlich ist das Anmahnen von Reformen - auch so eine Binse - stets ein Zeichen von Weitsichtigkeit.

Der Begriff führt sofort zur Überleitung: "In Lateinamerika wenden sich Scharen vom Katholizismus ab, weil er es trotz fünfhundertjähriger Dominanz nicht geschafft hat, Modernität und Fortschritt zu bringen, die der Freiheitsgeist des - calvinistischen - Protestantismus in Nordamerika bewirkte."
Aha. Der "Freiheitsgeist des - calvinistischen - Protestantismus" hat also in den USA "Modernität und Fortschritt" gebracht, während Lateinamerika rückständig blieb.

Und schon wartet die "Argumentation" übergangslos mit dem Paukenschlag auf: "Die Vorgänge im islamischen Zivilisationskreis sind auch eine ernste Warnung an Macht und Amt in der Kirche. Wer - ob aus Ängstlichkeit, Starrsinn oder Ordnungswillen - anhaltend Reformen verweigert, wird geistigen Niedergang ernten."
Aha. Achtung! Achtung! Wer sich gegen Reformen sperrt, den wird die Geschichte hinwegfegen. Resistence is futile!

Da sind sie also wieder, die besorgten und verantwortungsvollen Christinnen und Christen, die in Sorge um "die Kirche" nicht länger schweigen können, die endlich aufbegehren wie die unterdrückten Massen in der arabischen Welt, um die "alten Männer, ihre Sippen und Erben", den "bleiernen Stillstand", die "selbstverschuldete[] Unmündigkeit" (Holla! Immanuel! ;-) ), die "patrarchalische[] Gerontokratie" abzuschütteln.

Klingt toll!

Was die Aufstände angeht, kommt die Argumentation allerdings über selektiv versammelte Massenmedien-Platitüden nicht hinaus. Was hier über die sozialen Hintergründe des Aufbegehrens abgesondert wird, zeigt jemandem, der tatsächlich Kontakte zum Muslimen und in die arabische Welt hat, allzu deutlich die Ignoranz und Borniertheit postkolonialen Denkens - insbesondere was die Haltung gegenüber "dem Islam" angeht. Flott springt der Gedanke vom als reformbedürftig definierten Islam zur als reformbedürftig definierten katholischen Kirche, bei der wir es ja auch mit einer "patriarchalischen Gerontokratie" zu tun haben, liebe "verantwortungsvolle Christinnen und Christen", nicht wahr?

Abgesehen davon, dass es dann wohl der "Freiheitsgeist des - calvinistischen - Protestantismus" ist (war da nicht was mit Prädestination ...?), der sich nicht nur im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten üppig regt, wo "Modernität und Fortschritt" auf ganz besondere Weise gehuldigt wird. Zugleich wird die wirtschaftshistorische und politische Entwicklung der beiden Teilkontinente auf das jeweilige konfessionelle Übergewicht reduziert, was hübsch opportun ist - aber schlicht Bockmist. Aber um das zu merken, müsste man ja etwas über amerikanische Geschichte wissen.
(Ich hatte angenommen, dass CiG-Leser und -Macher sofort die Befreiungstheologie und auch Oscar Romero und damit als deren Voraussetzung die üble Verquickung zwischen US-amerikanischen Wirtschaftsinteressen, resultierend auch (!) aus dem "Freiheitsgeist des - calvinistischen - Protestantismus" und den rein weltlichen Machtinteressen stinkreicher lateinamerikanischer Großgrundbesitzer und Politibonzen in den Sinn gekommen wäre - aber so weit langt's offenbar nicht.)

Jetzt mal Butter bei die Fische, meine Damen und Herren der CiG-Redaktion: Wenn Sie wirklich der Überzeugung sind, die Sie in Ihrem "aktuellen Artikel" gemeinsam formuliert oder auch nur abgesegnet haben, dann haben Sie sich gerade zum Gespött gemacht - nicht zuletzt für die so genannten Neuen Humanisten und Naturalisten, deren populärster deutscher Vertreter Michael Schmidt-Salomon 2008 in einem Vortrag in Berlin sagte: "Wären alle Religionsgemeinschaften weltweit auf dem Stand der EKD, bräuchte man wohl keinen neuen Atheismus." (2) Denn auf diesem Stand sind sie. Ganz ohne Konvertierung. Immerhin haben Sie Reform und Reformation in Ihrem Textlein oft genug positiv beschworen. Und sie haben deutlich gezeigt, dass Ihr Bild von Kirche das eines geschichts- und religionswissenschaftlich auswertbaren gesellschaftlichen Phänomens mit Aufgaben im karitativen Bereich und in der Freizeitgestaltung ist, wobei letztere bezwecken soll, im Hier und Jetzt ein ganzheitliches Wohlbefinden (= Wellness) jedes Individuums zu befördern.


So richtig entlarvt, meinen Damen und Herren, haben Sie sich allerdings schon weit früher im Text: "Momentan steht die Al-Qaida-Bewegung, die ebenfalls von einem Greis angeführt wird, zur Machtübernahme bereit. (Anm. der Verf.: An welchen Greis haben Sie denn da gedacht? Sicherlich nicht an Karlheinz Deschner, Gotthold Hasenhüttl oder Hans Küng ...) Auf Dauer allerdings wird die jetzige Entmythologisierung von Herrschaft vermutlich ebenso die religiösen Systeme erfassen und aushöhlen."
Aha, darum geht es also: Die Aushöhlung der "religiösen Systeme".

Gut zu wissen, meine Damen und Herren - denn das wirft ein weiteres bezeichnendes Licht auf ihr Bild von Kirche. Man sieht deutlich, was dabei herauskommt, wenn liturgische Experimente und das "Entgegenkommen gegenüber den (Freizeit-)Bedürfnissen der Menschen" dazu führen, dass die zweite Lesung regelmäßig ausfällt... ;-)

Was mich übrigens hinsichtlich der Diagnose "Gerontokratie" stutzig macht, ist, dass CiG mir nahezu ausschließlich von Vertretern meiner Elterngeneration oder älter empfohlen wird (wohlgemerkt: Ich bin Jahrgang 1963). Die Verfechter des Reformkurses und ihre gebetsmühlenartig wiederholten Forderungen sind als Zeitgenossen der Würzburger Synode nämlich ebenso in die Jahre gekommen wie Gaddafis Revolution. Dereinst fegte ein schneidiger junger Oberst die "patriarchalische Gerontokratie" von König Idris (d.h. "die alten Männer, ihre Sippen und Erben"!) hinweg. Und wie Gaddafis Grünes Buch heute wie ein Fossil wirkt, so geht es längst nicht nur mir mit den seit vier Jahrzehnten unveränderten und gebetsmühlenartig vorgetragenen Forderungen des organisierten Laienkatholizismus und seiner journalistischen MitstreiterInnen.



1) Quelle: Zeichen der Zeit. Inwiefern der Artikel die Meinung der gesamten Redaktion widerspiegelt, ist mir nicht bekannt; da anstelle eines Autorennamens unter dem Titel "Von der CIG-Redaktion" steht, gehe ich von eier einmütigen Meinungskundgebung aus.


2) Dr. Michael Schmidt-Salomon (Giordano Bruno Stiftung): Vom neuen Atheismus zum neuen Humanismus? (Vortrag auf der Tagung „Neuer Atheismus und moderner Humanismus“, Berlin 25.4.08)

Ein kleines Dankeschön fürs bienenfleißige Team!