Montag, 31. Januar 2011

Si tacuisses ...

Der engagierte Katholik Dr. Norbert Lammert, der kürzlich mit einer Neuübersetzung des Vaterunsers aufwartete, erneuert seine Argumentation wider den Zölibat in der Zeit. Die besorgten Bemühungen, das ohnehin wenig seetauglich erscheinende Schifflein der DBK in diesen Zeiten, die vom Drang zur nahezu bedingungslosen Ökumene und von der Angst um die Zukunft der Seelsorge getrieben sind, mit zu steuern, machen den Eindruck, die Koordinaten des Kurses wiesen auf eine Art "Deutsche Kirche": ein bisschen katholisch (was fürs Herz halt), aber vor allem unheimlich ökumenisch. Denn ohne den offenen Bruch mit Rom wäre den "dringlichen Bitten" nicht nachzugeben, die in einer - man möge mir den separatistisch anmuntenden Ausdruck verzeihen - protestantischen Umgebung typischen Forderungen nach Priesterehe, Priesterinnen etc. zu überdenken.

Ist es denn etwa vermessen, diejenigen, die den Konzilsgeist derart interpretieren, darauf zu verweisen, dass es Konfessionen gibt, mit denen sie vielleicht glücklicher werden als mit der katholischen Kirche? Oder sie zu fragen, wie es denn in solchen Konfessionen um die flächendeckende pastorale Seelsorge und die geistliche (nicht geistige) Verfasstheit ihrer Hirten bestellt ist?

Mit welchem Anspruchsdenken der Herr Lammert und seine MitstreiterInnen auftreten, zeigt sich ja schon in dem wiederholten Hinweis, "vielen Gläubigen" werde "bereits heute ihr Recht auf die sonntägliche Messfeier vorenthalten oder ihr Wunsch unverhältnismäßig erschwert". Lieber Herr Lammert, Sie irren! Es gibt kein "Recht" auf die sonntägliche Messfeier, sondern eine Sonntagspflicht der Christen. Und was die Frage angeht, ob der Messbesuch "unverhältnismäßig erschwert" werde, verweise ich mal auf die Zeit vor dem Dritten Reich, als die Menschen noch weite Wege in Kauf nahmen, um sonntags eine Messe zu hören - vor dem (für den betreffenden Bauunternehmer lukrativen) Kirchenbauboom z.B. im Bistum Essen und der "Priesterschwemme" nach dem Zweiten Weltkrieg.

Nebenbei bemerkt: Heute, im Zeitalter der Mobilität, nehmen manche Gottesdienstbesucher sogar freiwillig unverhältnismäßig weite Wege in Anspruch, um eine bevorzugte Form der Messfeier regelmäßig besuchen zu können oder eine bevorzugte Auslegung durch einen bevorzugten Geistlichen zu hören - ob das nun die außerordentliche Form ist oder liturgischer Tanz mit heilendem Trommeln.

Mir persönlich erscheint es eher höchst populistisch, den Zölibat heranzuziehen, der in der katholischen Kirche (anders als bei buddhistischen Lamas) eine höchst freiwillige Entscheidung ist und damit kein "Zwang". Wenn ich - der Vergleich hinkt selbstverständlich! - als Marketingstratege bei Hertha ("Wenn's um die Wurst geht") arbeiten wollte, sollte ich auch keine überzeugte Vegetarierin sein. ;-)

Man ist verleitet zu sagen, der Deutsche jammere mal wieder auf hohem Niveau, weil die Ansprüche, die der Herr Lammert  als Katholik an die katholische Geistlichkeit hat, nicht so erfüllt werden, wie er es gewohnt war oder gerne hätte. Angesichts eines erodierten Glaubenslebens mit Meditationsrunden, Blindekuh-Katechese, Stuhlkreisen und gestalteten Mitten, mit selbstformulierten Hochgebeten, heilendem Trommeln und liturgischem Tanz - zeitgleich mit einem nahezu völligen Wegfall der Beicht- und Gebetskultur ebenso wie der liturgischen Verbindlichkeit - bleibt eigentlich nur die Hoffnung, dass nachkommende Generationen in ihrem Hunger nach Spiritualität noch Inseln derselben in den deutschsprachigen Kirchenprovinzen vorfinden werden, aus denen eine Erneuerung erfolgen kann.

Schon bei der Rechtschreibreform zeigte sich, dass arg viel Änderung, die eine neunmalkluge Kommission durchsetzte, eine Deformation der Sprache zur Folge hatten. Die Folge der Reformation war - auch wenn man es hierzulande unter dem "Dogma" der Ökumene nicht sagen darf - ein Schisma.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Bischöfe auf Schlingerkurs?

Peter Esser bringt's mal wieder auf den Punkt: Vor dem »deutschen Sonderweg«

Zumindest ist das deutsche Staatsoberhaupt schon mal katholisch und hat - wie passend - eine Patchworkfamilie. Fehlt nur noch der Name für eine nationale eigene deutsche deutsch-österreichisch-schweizerische (ohne diskriminierende Absicht in alphabetische Reihenfolge gestellt!) Kirche.

Reliunterricht: Passiv - ja! Aktiv - nein, danke!

Nehmen wir eine Grund-, Haupt und Realschule in einer kleinen deutschen Universitätsstadt. Dort unterrichtet die Gemeindereferentin der zuständigen katholischen Pfarrei, eine theologisch und pädagogisch geschulte Fachkraft, katholischen Religionsunterricht. Jede Unterrichtsstunde beginnt mit einem Gebet, wie es die zuständige Diözese auch vorsieht, denn die im Unterricht erarbeiteten Erkenntnisse umfassen schließlich auch die praktische Ausübung der Religion.
Nun begab es sich aber, dass die Eltern dreier Kinder, die an diesem Unterricht teilnehmen, bei der Schulleitung Beschwerde einreichten wegen des Betens. Ihre Kinder sollten im Religionsunterricht über Religion lernen, aber eine praktische Ausübung von Religion sei nicht erwünscht. Die betreffenden Kinder können die betreffenden Unterrichtsstunden laut Schulleitung allerdings auch nicht woanders verbringen, weil kein geeignetes Aufsichtspersonal zur Verfügung stehe. Die Schulleitung untersagt daraufhin der Religionslehrerin, mit den Kindern zu beten.
Es ging eine Weile hin und her zwischen Schulleitung und Pfarramt, sogar das Bistum meldete sich zu Wort, aber der Schulleiter blieb hart: Die Unterrichtende sei an seine Weisungen gebunden, und dem Wunsch der Eltern nach einer weltanschaulich neutralen Vermittlung katholischer Inhalte sei zu entsprechen. Die Lehrerin gab entnervt auf und beendete bald darauf ihre Tätigkeit an dieser Schule.
Da ich abgesehen von den Mitarbeitern der Diözese und den drei betreffenden Familien die Beteiligten persönlich kenne, gehe ich davon aus, dass die Weisung des Schulleiters der Tropfen war, der das Fass überlaufen ließ. Das Argument, es fehle an Aufsichtspersonal, klingt ohnehin reichlich vorgeschoben.
Was Eltern bewegt, ihr Kind in den katholischen Religionsunterricht zu schicken, obwohl sie sich eine religiöse Unterweisung verbitten, bleibt mir ein Rätsel. Im Musikunterricht wird ja auch nicht nur die Notenschrift und ein bisschen Musiktheorie gelehrt, sondern auch gesungen. Im Englischunterricht wird die fremde Sprache durch Vokabeln und Grammatik keineswegs stumm vermittelt, sondern man spricht Englisch. Die Eltern haben das Recht, ihre Kinder vom Religionsunterricht abzumelden, wenn sie eine Ausübung der erlernten Inhalte nicht billigen.
Und was ein "weltanschaulich neutraler" Unterricht sein soll - speziell in den weltanschaulichen Fächern Katholische/Evangelische Religionslehre, Ethik oder Philosophie -, das bleibt vollkommen dunkel.

Als unser Kind in die Schule kam, haben wir - obwohl wir der Kirche fernstanden und sie nicht getauft war - sie zum katholischen Religionsunterricht gemeldet. Und eigentlich rechneten wir damit, dass in diesen Unterrichtsstunden auch das Gebet als religiöse Praxis geübt wird.

In diesem Falle hebelten eine Minderheit von drei Eltern und ein Schulleiter mehrere Gesetze aus, obwohl es sicherlich andere Lösungen hätte geben können. Leider passen solche Aktivitäten ins Bild, dass die Toleranz predigenden und fordernden Nichtreligiösen im Umgang mit Andersdenkenden bieten.

Montag, 17. Januar 2011

Manuel, das Lamm

Schon wieder Liturgie - nein, diesmal ist's die Homilie, die Kunst, eine gute Predigt zu halten, die mich umtreibt. Nicht dass ich eine Verfechterin des bloßen "Abkanzelns" bin - man muss die Menschen schon da abholen, wo sie stehen -, trotzdem kann "gut gemeint" auch weit von "gut" abweichen.Predigt ist praktische Katechese. Im Grunde sollte es ausreichen, ein Jahr lang den Sonntagsgottesdienst zu besuchen, um durch Verkündigung und predigt einen ordentlichen Überblick über die christliche Lehre in ihrer katholischen Ausprägung zu bekommen. Dass das aufgrund des Zustands der katholischen Kirche speziell in Deutschland nicht (mehr?) gewährleistet ist, ist ein anderes Problem.
Der Pfarrer unserer Gemeinde gehört zu denen, die wirklich gut predigen können. Er ist in der Lage, sogar komplexe Fragen der Theologie bis zur Allgemeinverständlichkeit "herunterzubrechen", ohne sie dabei zu verzerren. Sogar wenn es sich um Firmung und Erstkommunion handelt, scheut er sich nicht, auch eine schwierige Lesung für Kinder verständlich auszulegen.
Am gestrigen Sonntag ging es um das Zeugnis Johannes' des Täufers (Jo 1, 29-34 - siehe Schott), aus dem das liturgisch wichtige Wort stammt: "Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt." Zugleich wurden im Verlauf dieser Messe die Erstkommunionkinder dieses Jahres der Gemeinde vorgestellt; die Predigt richtete der Pfarrer ausdrücklich an diese Kinder. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, auf die erste Lesung (Jes 49, 3.5-6: "Du bist mein Knecht, Israel, an dem ich meine Herrlichkeit zeigen will. [...] Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht."), denn schließlich benannte der Pfarrer es als eine Hauptaufgabe der Katechese zur Erstkommunion, Jesus Christus kennenzulernen. Stattdessen beschränkte er sich auf das Lamm Gottes und erzählte den Kindern (und damit auch uns Erwachsenen) eine Geschichte über ein Lamm namens Manuel, das das Unrecht unter den Schafen seiner Herde bemerkt und auf sie einzuwirken versucht.
Jesus als Sozialreformer - es ist ja durchaus ein Aspekt der Lehre Christi, dass eine Gesellschaft nur tragbar ist, wenn alle ihren Teil tun und ihrer verantwortung für die anderen, insbesondere die Schwachen, gerecht werden, aber gerade das Zeugnis Johannes' des Täufers und das Bild des "Lammes" hat damit nun wirklich nichts damit zu tun. Die prophetischen Worte des Täufers nehmen die Passion als Pessah-/Osterereignis vorweg - und genau das ist das Zeugnis, das am Anfang des Johannesevangeliums steht. Dass in diesem einen Satz die Rettung Israels verkündigt wird - nimmt man die Prophezeiung aus Jesaja dazu, die Rettung der ganzen Welt! -, wäre doch (so zumindest die mir bekannte Lesart) nicht das Schlechteste.
Die "Lieb Jesulein"-Katechese, die in einer harmlosen Geschichte von einem Lamm steckt, das seine Artgenossen tadelt und mit den ausgestoßenen schwarzen Schafen spielt, empfinde ich als zutiefst problematisch - gerade im Umgang mit Kindern. Wo Gott der nette Vater ist und Jesus der liebe Bruder, verliert der Glaube an Tragfähigkeit, sobald eine existenzielle Krise auftritt.
Man solle ja nicht glauben, dass unsere Kinder und Jugendlichen derart behütet aufwachsen, dass man solche Krisen vollständig von ihnen fernhalten könnte: schwache Leistungen im Sport, schlechte Noten, Lehrerwillkür, Mobbing durch Klassenkameraden, aber auch Schicksalsschläge wie der Tod eines nahen Verwandten oder Freundes können trotz der behütetsten Familienverhältnisse auftreten. und manche Form einer behüteten Kindheit ist auch eine Form von gut gepolsterter Käfighaltung. In diesen Fällen, in denen Kinder Trost und Halt für ihr Leid brauchen, ist ein dermaßen anthropomorphes, ja menschengleiches Gottesbild beileibe keine Hilfe.
Ich habe Verständnis dafür, dass man seinen Kindern den Anblick von Leid ersparen möchte. Die Pessah-Geschichte, die zur Befreiungslegende israels aus Ägypten gehört und den Ritus des Opferlamms begründet, ist eine Geschichte voller Gewalt und Leid - aber genau deshalb ist sie tragfähig.
Trotzdem: Ich schätze "unseren" Pfarrer. Ich werde ihm das sicher nicht nachtragen ;-) und hoffe, dass in der Katechese nicht bloß das Eiteitei des heute üblichen Reliunterrichts praktiziert wird. Gott sei Dank gibt es auch noch eine tüchtige Gemeindereferentin!

Samstag, 15. Januar 2011

Tabubruch

Scipios Blog hat mich auf ein Interview mit Michael Triegel (dem "Papstmaler") in Welt Online (»Ich male den Papst. Mehr Tabubruch geht nicht«) aufmerksam gemacht, aus dem ich zitieren möchte:

Triegel: [...] Dass die beginnende Moderne gegen die damalige Salonmalerei angetreten ist und auch gegen die etablierten Institutionen, das war richtig. Das Verrückte ist nur: Heute wird immer noch dieser Avantgarde-Begriff bemüht. Dabei hat der sich doch längst totgelaufen. Diejenigen, die heute glauben, sie seien Avantgarde, deren Sachen hängen doch als erstes im Museum.

Eine Feststellung, die sich leicht auf andere Bereiche des Lebens übertragen lässt: Jede Generation entwickelt ihre eigene Avantgarde, die vorneweg tanzt, marschiert oder schlendert. Und wer heute das Denken der 1968er Bewegung noch für "ganz neu"  und "fortschrittlich" hält, gehört zu einer Altersgruppe, die er (oder sie) als Junger im Grundsatz als reaktionär und stockkonservativ bezeichnet hätte. Auch Meinungen haben ein Verfallsdatum.

Mir fällt es auf, dass, sooft es um Jugendgottesdienste geht, die gleichen Vorschläge seitens der Generation derer kommen, deren Nachkommen schon flügge sind (also meiner Generation! ;-) ); als ob man die heutigen Jugendlichen mit Simon & Garfunkel, Joan Baez und Kum ba yah my Lord vom Hocker reißen könnte - das waren die Knaller einer anderen Generation!

Es ist wenig verwunderlich, dass eine alternde Generation, die sich selbst quasi substanziell als "Avantgarde" und/oder "modern" definiert, nachwachsende Generationen, die auf anderes zurückgreifen, "reaktionär" nennt. Selbst wenn sogar die Ideale der 1968er auf früheren Ideen fußten - wie überhaupt alles Neue stets in Früherem wurzelt.

Sonntag, 9. Januar 2011

Liturgiekr(e)ise

In der heutigen Messe wurde darauf hingewiesen, dass der Pfarrgemeinderat unserer Gemeinde (eigentlich: derjenigen Gemeinde in unserem Pfarrverbund, der wir uns am stärksten zugehörig fühlen) beschlossen hat, einen Liturgiekreis zu gründen. Anlass war das Erlebnis eines Gottesdienstes in einer Aschaffenburger Gemeinde während einer Klausurtagung des PGR.

Über den Gottesdienst in Aschaffenburg maße ich mir kein Urteil an - schließlich war ich nicht dabei. Es ist ja auch wirklich zu begrüßen, wenn die Möglichkeiten für Laien in der Liturgie, die ja durchaus über die Dienste als bspw. Lektor, Kantor oder Katechet hinausgehen, ausgeschöpft werden.

Nichtsdestotrotz gibt es ein Problem, und dieses Problem fußt auf dem vielfach gestörten Verhältnis, dass in Europa die katholischen Christen zur Kirche haben.

Weltweit wächst die Gemeinschaft der katholischen Christen - in Europa schrumpft sie. Weltweit steigt die Zahl der priesterlichen Berufungen - in Europa schrumpft sie. Nur die Zahl der Katecheten folgt auch in Europa dem weltweiten positiven Trend, während die der Ordensberufungen nur in Afrika und Asien eine positive Tendenz zeigt. (Quelle: agenzia fides)

Europa befindet sich in einer Phase des Säkularismus, weltanschaulich gilt der Grundsatz "anything goes" auf der Basis der Goldenen Regel, zugleich wird Religion als Privatsache betrachtet, ihr Auftreten in der Öffentlichkeit zunehmend abgelehnt. Sie steht im Ruf, Ausdruck von Unfreiheit und Unterdrückung, ja sogar alleine Ursache für jede Form von Totalitarismus zu sein.

Wenn eine muslimische Frau oder ein muslimisches Mädchen ein Kopftuch tragen, erweckt das sofort Argwohn - wobei dieser Argwohn darin liegt, dass man denkt, diese Tracht bringe eine Haltung zum Ausdruck, die im Widerspruch zu unseren Wertvorstellungen stehe. Dieser Argwohn breitet sich auch hinsichtlich der Anbringung von Kruzifixen und Kreuzen als religiösen Symbolen in öffentlichen Räumen aus: Eltern klagen die Entfernung religiöser Symbole aus Schulen ein, an den Wänden von Gerichtssälen erinnert oft nur ein blasser Schatten daran, dass an dieser Stelle einmal ein solches hing. All dies ist Ausdruck der verbreiteten Angst vor der Infragestellung des Grundsatzes "anything goes", die für eine Beschränkung der individuellen Persönlichkeitsrechte, der persönlichen Freiheit gehalten wird. Sogar die Angst vor Überfremdung ist nichts weiter als ein Ausdruck genau dieser Befürchtung.

Dieselbe Angst drückt sich vielfach auch in der Ablehnung der traditionellen Liturgie aus, die als "nicht zeitgemäß" angesehen wird. Nicht nur aus meiner Erfahrung als Firmkatechetin weiß ich, dass Kenntnisse um die eigene Religion trotz (oder vielleicht sogar wegen?) des staatlich geordneten Religionsunterrichts rudimentär bis nicht vorhanden sind. Wenn ich aber einem Prozedere beiwohne, dessen Sinn ich nicht erkenne, ist es bestenfalls eine interessante Beobachtung, wahrscheinlich aber merkwürdig oder gar langweilig - auf jeden Fall erscheint es "sinnlos". Da die Kirche auf diesen Formen beharrt, gilt sie als starr, als überholt, als reformbedürftig. Das Fremde ebenso wie das Fremdgewordene machen uns nun einmal Angst.

Als Katholiken stehen wir in einer jahrtausendealten religiösen Tradition, einer Tradition, die in den meisten Jahrhunderten lebendig war und gelebt wurde, sooft sie jedoch den Menschen fremd wurde, zu Spaltungen führte, die oft sogar zu politischen Zwecken missbraucht wurden (und das in den meisten Fällen von weltlichen Machthabern). In Europa sind diese lebendigen Traditionen wieder einmal ausgedörrt, die Kenntnisse geschwunden. Die Zahl der Angehörigen der katholischen Kirche mindert sich von Jahr zu Jahr, weil Glaube nicht (mehr) gelebt wird und die Taufe weithin als obsolet gilt; schließlich soll sich ein Kind eines Tages bewusst und frei entscheiden können, welche Weltanschauung es richtig findet - eine hübsche Wunschvorstellung, allerdings eine ziemlich hohle.

Jetzt also ein Liturgiekreis, um die (gefühlte) Liturgiekrise zu überwinden.

Beruhigend an der Sache ist, dass in der Ankündigung die Hoffnung geäußert wird, es könne den Teilnehmern vielleicht (!) gelingen, "sich zunächst selbst bewusst werden zu lassen, womit jeder seit Jahren vertraut ist". Katechese also. Das lässt hoffen.

Ich habe mich schon mal gemeldet und hoffe auch, dass das niemandem im PGR eiskalte Schauer über den Rücken gejagt hat. ;-)

Samstag, 8. Januar 2011

Grund unergründlicher Liebe

Der heutige Tagesimpuls aus dem virtuellen Schott hat mich nachhaltig beschäftigt. Nicht nur, dass der 1. Johannesbrief für mich ohnehin ein Highlight des Neuen Testaments ist - nein, dem Schlussgebet folgte ein bemerkenswertes Zitat von Dietrich Bonhoeffer:
»Der Menschgewordene ist das unergründliche Geheimnis der Liebe Gottes zur Welt. Gott liebt den Menschen. Gott liebt die Welt. Nicht einen Idealmenschen, sondern den Menschen, wie er ist; nicht eine Idealwelt, sondern die wirkliche Welt. Was uns verabscheuungswürdig ist in seiner Widergöttlichkeit, wovon wir uns zurückziehen in Schmerz und Feindschaft, der wirkliche Mensch, die wirkliche Welt, das ist für Gott Grund unergründlicher Liebe. Während wir uns bemühen, über unser Menschsein hinauszuwachsen, den Menschen hinter uns zu lassen, wird Gott Mensch. Während wir unterscheiden zwischen Frommen und Gottlosen, Guten und Bösen, Edlen und Gemeinen, liebt Gott unterschiedslos den wirklichen Menschen. Er duldet es nicht, dass wir die Welt und die Menschen einteilen nach unseren Maßstäben und uns zu Richtern über sie aufwerfen. Gott tritt auf die Seite des wirklichen Menschen und der wirklichen Welt gegen alle ihre Verkläger.«
Wenn man bedenkt, in welchen Tagen Bonhoeffer seine Texte schrieb, lässt diese Passage einen in ihrer Radikalität tief betroffen zurück.

Wer mir sagen kann, wo ich die oben (aus dem Schott) zitierten Worte in in Bonhoeffers Werken finde, der hat etwas gut bei mir! :-)

Freitag, 7. Januar 2011

Urteile über Urteile

Eigentlich sollte man dummes Zeug schlicht und einfach totschweigen; denn nicht umsonst gibt es den Spruch: "Sollen sie doch schimpfen, solange sie nur über uns reden!" - und davon lebt der Provokateur.

Außerdem klingt mir immer wieder eine kürzlich erst wieder gelesene Passage aus dem Evangelium nach Matthäus im Ohr:
1 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!
2 Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr meßt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden.
3 Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?
4 Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und dabei steckt in deinem Auge ein Balken?
5 Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.
(Mt 7,1-5)

Keine leichte Forderung - wie überhaupt die Lehren Christi nicht selten Forderungen enthalten, die menschliches Maß dem Anschein nach übersteigen. Aber letztendlich wird damit gezeigt, wie schwierig es für uns selbstbezügliche Lebewesen ist, sich der Bequemlichkeit spontaner Reaktionen zu entziehen, obwohl uns diese auf Dauer meist mehr schaden als nutzen. In einer Welt, die sich der Spontaneität verschrieben hat, müssen solche Forderungen geradezu absurd klingen.

Dass ein Journalist in seiner Kolumne "evangelikalen Gruppen wie konservativen Katholiken" Glaubwürdigkeit abspricht, weil sie "weltweit aktiv für den eigenen Glauben missionieren" subsumiere ich wohlwollend unter der Rubrik "Misslungene Pointen" - denn ausgerechnet dieser Berufsstand zeichnet sich ja dadurch aus meinungsbildend (!) tätig zu sein.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, dass u.a. SZ online es nicht versäumte,
die Solidaritätsbekundungen z.B. bei Facebook sowie die Demonstrationen zu erwähnen, die Muslime teilweise gemeinsam mit koptischen Christen veranstalteten, um den Anschlag von Alexandria zu verurteilen:
Nachdem es am Montagabend zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen war, blieben die Demonstrationen am Dienstagabend weitgehend friedlich. An einigen Demonstrationszügen beteiligten sich auch Muslime. An der islamischen Al-Azhar-Universität in Kairo versammelten sich etwa 2000 Studenten. Sie riefen: "Ich bin Muslim und ich lehne dies ab" und "Wir sagen nein zu denjenigen, die Ägypten in Brand setzen wollen". (Quelle)

Die vielen, die in den Ländern, die sich selbst zur freien Welt zählen, pauschal über "den Islam" und "die Muslime" urteilen, möchte ich schon
fragen, wie viele Muslime sie eigentlich kennen und was sie über den Islam tatsächlich wissen - abgesehen vom selektiv Wahrgenommenen, das die eigene schon feststehende Meinung nur weiter zementiert. Aus dem weichen Pfühl des Wohlstands und des sicheren Rechts auf freie Meinungsäußerung Forderungen zu stellen an andere, für die zumindest letzteres keineswegs sicher ist (oder war, wie im Falle der Generation unserer Großeltern), erscheint mir doch ein wenig wohlfeil. Denn wie las ich einmal in einem Kommentarthread von SZ online: "Nie gab es so viele Widerstandskämpfer gegen Hitler wie heute." ;-)

Donnerstag, 6. Januar 2011

Erscheinung des Herrn

Epiphanias - sagt uns das noch was? Irgendwann in diesen Tagen werden die Sternsinger ausgesandt, mancherorts werden Dreikönigskuchen gebacken oder der Bohnenkönig ausgelost, die Rauhnächte gehen zu Ende - und hier leckt der Nieselregen den dick verharschten Schnee von den Dächern.

Epiphanie meint das Aufscheinen der menschlichen Gegenwart Gottes in Jesus Christus. Als Festakt wurde die Feierlichkeit aus dem hellenistischen und römischen Herrscherkult übernommen; in der christlichen Welt war Herrschaft nicht mit Göttlichkeit oder Vergöttlichung verbunden - Anbetung stand allein Gott in seiner Dreieinigkeit zu. Anstelle des durch seine Machtvollkommenheit als göttlich aufscheinenden Herrschers wurde die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus verherrlicht. Die "Umkehrung der Werte" zeigte sich insbesondere darin, dass die im Matthäusevangelium erzählte Suche dreier Weiser aus dem Orient, dreier Priester und/oder Sterndeuter, die einem auffällig leuchtenden Stern gefolgt seien, liturgisch schon sehr früh auf dieses Fest bezogen wurde. Während die Hirten, die als erste das Kind anbeteten, noch Angehörige des judäischen Volksstammes waren - wenn auch um arme und unbedeutende Menschen, auf deren Wort niemand etwas gegeben hätte -, handelte es sich bei den drei Weisen um mächtige Menschen und zugleich um Andersgläubige, um Heiden aus der Sicht der ersten Christen.

Dass heidnische, fremdländische Mächtige einem hilflosen Kind in einem Stall huldigen, das der rechtmäßige König, Herodes der Große, aus Angst um seine Macht durch einen Mordbefehl zu beseitigen versucht - das ist eine völlige Umkehrung des heidnischen Festes, an dem der Tyrann, König oder Kaiser als Gott verehrt wurde.

Als Kind bedeutete das Dreikönigsfest für mich, dass die Krippe mit den drei prächtig gekleideten Herren und ihrem Kamel endlich vervollständigt wurde und am Abend die Kerzen am Baum noch einmal entzündet wurden, bevor am nächsten oder übernächsten Tag der ganze Schmuck wieder in Kartons verpackt und der schon kräftig nadelnde Baum an den Laternenpfahl vorm Haus gelehnt wurde. Obwohl meine Eltern kaum noch Bezug zur Kirche pflegten, war es ein schöner, festlicher Abschluss der Weihnachtszeit, die ein helles Licht in die nasskalten Wintertage warf.

Die Heiligen drei Könige
Legende

Einst als am Saum der Wüsten sich
auftat die Hand des Herrn
wie eine Frucht, die sommerlich
verkündet ihren Kern,
da war ein Wunder: Fern
erkannten und begrüßten sich
drei Könige und ein Stern.

Drei Könige von Unterwegs
und der Stern Überall,
die zogen alle (überlegs!)
so rechts ein Rex und links ein Rex
zu einem stillen Stall.

Was brachten die nicht alles mit
zum Stall von Bethlehem!
Weithin erklirrte jeder Schritt,
und der auf einem Rappen ritt,
saß samten und bequem.
Und der zu seiner Rechten ging,
der war ein goldner Mann,
und der zu seiner Linken fing
mit Schwung und Schwing
und Klang und Kling
aus einem runden Silberding,
das wiegend und in Ringen hing,
ganz blau zu rauchen an.
Da lachte der Stern Überall
so seltsam über sie,
und lief voraus und stand am Stall
und sagte zu Marie:

Da bring ich eine Wanderschaft
aus vieler Fremde her.
Drei Könige mit magenkraft*,
von Gold und Topas schwer
und dunkel, tumb und heidenhaft,
erschrick mir nicht zu sehr.
Sie haben alle drei zuhaus
zwölf Töchter, keinen Sohn,
so bitten sie sich deinen aus
als Sonne ihres Himmelblaus
und Trost für ihren Thron.
Doch musst du nicht gleich glauben: bloß
ein Funkelfürst und Heidenscheich
sei deines Sohnes Los.
Bedenk, der Weg ist groß.
Sie wandern lange, Hirten gleich,
inzwischen fällt ihr reifes Reich
weiß Gott wem in den Schoß.
Und während hier, wie Westwind warm,
der Ochs ihr Ohr umschnaubt,
sind sie vielleicht schon alle arm
und so wie ohne Haupt.
Drum mach mit deinem Lächeln licht
die Wirrnis, die sie sind,
und wende du dein Angesicht
nach Aufgang und dein Kind;
dort liegt in blauen Linien,
was jeder dir verließ:
Smaragda und Rubinien
und die Tale von Türkis.

Mittwoch, 5. Januar 2011

Noch so ein Internet-Tagebuch, oder was?

Nein, so schlimm wird es schon nicht werden, denn für tägliche Einträge fehlt mir schlicht die Zeit. Und es gibt ja auch nicht täglich etwas Mitteilenswertes mitzuteilen. Aber gelegentlich platze ich schon mal vor Freude oder muss meinem Unmut mal Luft machen.
Ob das nun irgendjemanden interessiert oder auch nicht, das werde ich ja sehen. Zunächst einmal soll es nur ein klares Bekenntnis sein. Das klare Bekenntnis einer Katholikin, die überzeugt ist, dass man theologische Fragen keineswegs "ex hohlo baucho" beurteilen kann. Eine Katholikin, die nicht der Idee anhängt, alles "Alte" sei automatisch überholt - zumal diese Tatsache dann ganz allgemein jede Erscheinung beträfe, auch die aktuell vorherrschenden Moden und Trends.

Thomas Morus wird der Satz zugeschrieben: »Tradition is not holding onto the ashes but passing on the flame.« Auch mit diesen Worten wird gerne begründet, warum man alte Zöpfe abschneiden müsse, wobei man sich gleichzeitig auf "Urchristliches" beruft, ohne dass man dafür echte Zeugnisse heranführen kann. Zumal ausgerechnet die "alten Zöpfe" meist so alt sind, dass sie urchristliche Wurzeln haben, während gleichzeitig die Forderung nach Neuerungen ausgerechnet mit einzelnen meist aus dem Kontext gerissenen oder überinterpretierten Zitaten begründet werden. ;-)
Vieles, was für Asche gehalten wird und abgeklopft werden soll, ist wunderbares Brennmaterial, und manches, was als Brennstoff um die Fackel gewickelt werden soll, taugt nur dazu, ein Feuer zu ersticken.

Gott ist das Licht - auch das Licht, das wir in der Flamme weiterreichen. Dass der Umgang mit Feuer Übung und Kenntnisse braucht, weiß jeder, der zuhause einen Ofen oder Kamin hat (was heutzutage keine Selbstverständlichkeit ist).

Vielleicht hängt der leichtfertige Umgang mit der Fackel namens Glaube und das häufige Verblassen der Flamme zur Funzel auch damit zusammen, dass wir den Umgang mit Feuer aufgrund der technischen Entwicklung schlicht verlernt haben ...