Freitag, 4. März 2011

Auf-Bruch

Die Sprache der Reformer stößt mir ständig auf. Abgesehen von dem ständig beschworenen Wörtchen "Reform", über das noch zu sprechen wäre, ist immer wieder von "Aufbruch" die Rede, vom "Aufbrechen". Die Reformer denken dabei ausschließlich an die Bedeutung des "sich Aufmachens", "Losgehens". Dabei wird auch das "Zerbrechen" gefühlter Fesseln beschworen. Immer wieder ist von "starren Hierarchien", "verkrusteten Strukturen", "lähmendem Stillstand" die Rede, davon dass "die vielleicht letzte Chance zu einem Aufbruch aus Lähmung und Resignation" verspielt werde usw.

Die "Reformer" sehen sich dabei durchaus in der Nachfolge der Reformatoren des 16. Jhs., die inzwischen vor allem als "Befreier" gedeutet werden, wobei der Freiheitsbegriff nicht kritisch-hermeneutisch, sondern rein verbal und damit völlig naiv übernommen wird. Weil Luther Schriften mit Titeln wie Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche und Von der Freiheit eines Christenmenschen schrieb, wird automatisch (und damit unreflektiert und somit naiv!) angenommen, dass Luther unter "Gefangenschaft" und "Freiheit" das gleiche verstand wie Paulus und wie wir heute. Als gäbe es keine Bedeutungswandel gerade bei abstrakten Begriffen.

Die dramatische Rhetorik des "Aufbrechens" enthält allerdings auch eine simple sprachliche Komponente, die wesentlich klarer aufzeigt, wohin diese Reformen führen würden - nämlich zu den gleichen Konsequenzen wie die Reformation des 16. Jhs.: zu einem Bruch, der ja schon im gewählten Begriff enthalten ist. Zum Bruch mit der Tradition. Zum Bruch mit "Rom". Zum Bruch mit der apostolischen Sukzession. Zum Bruch mit dem, was Kirche dem Neuen Testament zufolge ist. Zu Apostase und Schisma.

Von Theologen - also Geisteswissenschaftlern - hätte ich 500 Jahre nach der Reformation mehr kritische Reflexion erwartet.

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