Mittwoch, 9. März 2011

Angelus

Jean-François Millet: Angelus
Vor einigen Tagen habe ich wieder damit angefangen. :-)

Das Angelus-Gebet ist eine alte Gebetstradition in der katholischen Kirche.
Der jüdischen Tradition folgend, beteten schon die frühen Christen mehrere Male am Tag, eine Tradition, die in den monastischen Bewegungen zum Stundengebet entwickelt wurde.
Im Mittelalter entstand in der lateinischen Westkirche das Ave Maria als Mariengruß. Es bestand zunächst nur aus der Anrede Mariens durch den Engel Gabriel ("Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir." Lk 1,28) und einer angefügten Seligpreisung. Die zweite Zeile, die Bitte um Fürsprache, wurde erst später hinzugefügt.


Franziskus von Assisi verehrte die Gottesmutter sehr und verfasste selbst einen Mariengruß; in seinen Briefen pries er Menschen, die es ihr darin gleichzutun versuchten, Wohnung allein für den Herrn zu werden: "O wie selig und gebenedeit sind jene Männer und Frauen, wenn sie dies tun und darin ausharren, denn auf ihnen wird der Geist des Herrn ruhen und er wird sich bei ihnen eine Wohnung und Bleibe schaffen. …Mütter (Christi) sind wir, wenn wir ihn durch die göttliche Liebe und ein reines und lauteres Gewissen in unserem Herzen und Leibe tragen; wir bringen ihn zur Welt durch ein heiliges Wirken, das anderen als Vorbild leuchten soll." (Brief an die Gläubigen I, 7 und 10)
Aleksander Gierymski: Angelus
Ein weniger bekannter unter seinen Mitbrüdern, Benedikt Sinigardi von Arezzo, stellte etwa 1241 dem Mariengruß die Worte "Angelus Domini nuntiavit Mariae" ("Der Engel des Herrn sprach zu Maria") voran. Dreißig Jahre später empfahl Bonaventura seinen Mitbrüdern, die Muttergottes jeden Abend dreimal zu grüßen. Dies ist die früheste Erwähnung des Angelus. Ende des 13. Jh. begannen die Benediktiner von Montecassino, morgens und abends bei Glockengeläut diesen dreimaligen Mariengruß zu beten. Der abendliche Mariengruß wurde von Papst Johannes XXII. 1318 allgemein für verpflichtend erklärt.

Anfang des 16. Jhs. hatte es sich bereits durchgesetzt, dreimal täglich das Angelus bei Glockengeläut zu beten, nachdem etwa hundert Jahre zuvor angeesichts der osmanischen Bedrohung das mittägliche Gebet ebenso verordnet worden war.

Seine heutige Form erhielt das Angelus-Gebet 1571 durch Papst Pius V. und wurde durch Petrus Canisius in Deutschland verbreitet.
Mitte des 18. Jhs. schrieb Benedikt XIV. für die Osterzeit das Regina coeli anstelle des Angelus-Gebets vor.
Seither erfolgten keine Änderungen mehr, und Paul VI. äußerte sich 1974: "Dieses Gebet bedarf keiner Reform – es hat nach so langer Zeit nichts von seiner Kraft und seinem Glanz verloren, seine Struktur ist einfach und der Heiligen Schrift entlehnt – der historische Ursprung mahnt, für Frieden und Sicherheit zu beten – in seiner zeitlichen Ansetzung heiligt es gewissermaßen (wie das liturgische Stundengebet) den Ablauf des Tages [...]"
Als tägliches Gebet des Papstes in der Öffentlichkeit wurde es allerdings erst durch Johannes Paul II. bekannt, eine junge Tradition, die Benedikt XVI. weiterführt.

Kirche San Salvador, Sta Cruz de La Palma
Wahrscheinlich habe ich jetzt niemandem etwas Neues erzählt; dennoch möchte ich auf die lange Dauer dieser volkstümlichen Traditionhinweisen, die erst im vergangenen Jahrhundert wegzubrechen begann. Dabei ist dieses Gebet eine wunderbare Möglichkeit auf sprituelle Weise die Einheit der Kirche zu bezeugen. Und das ohne großen Aufwand. Gerade weil man mittags meist wenig Zeit hat, wie es Menschen in allen Zeiten gegangen ist. Die gezeigten Gemälde verdeutlichen anschaulich diesen "Sitz im Leben".

Noch deutlicher erfuhr ich diesen "Sitz im Leben", als wir 2007 auf La Palma bei der Besichtigung der Hauptkirche der Insel,vom Geläut überrascht wurden. In den Bänken hatten sich Menschen versammelt; dann trat eine ältere Frau an den Ambo und leitete im typisch kanarischen Dialekt (d.h. mit südamerikanischem Zungenschlag) das Gebet ein. Abgesehen von ihrer Stimme und dem Chor der Versammelten war es völlig still im Kirchensaal.

In diesem Moment wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass in dieser Zeitzone zugleich viele Menschen in Kirchen oder auf dem Feld, unterwegs oder zuhause die gleichen Worte sprachen und eine alte Tradition fortsetzten, die ihren Anfang nicht zuletzt beim heiligen Franziskus genommen hat.

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