Montag, 17. Januar 2011

Manuel, das Lamm

Schon wieder Liturgie - nein, diesmal ist's die Homilie, die Kunst, eine gute Predigt zu halten, die mich umtreibt. Nicht dass ich eine Verfechterin des bloßen "Abkanzelns" bin - man muss die Menschen schon da abholen, wo sie stehen -, trotzdem kann "gut gemeint" auch weit von "gut" abweichen.Predigt ist praktische Katechese. Im Grunde sollte es ausreichen, ein Jahr lang den Sonntagsgottesdienst zu besuchen, um durch Verkündigung und predigt einen ordentlichen Überblick über die christliche Lehre in ihrer katholischen Ausprägung zu bekommen. Dass das aufgrund des Zustands der katholischen Kirche speziell in Deutschland nicht (mehr?) gewährleistet ist, ist ein anderes Problem.
Der Pfarrer unserer Gemeinde gehört zu denen, die wirklich gut predigen können. Er ist in der Lage, sogar komplexe Fragen der Theologie bis zur Allgemeinverständlichkeit "herunterzubrechen", ohne sie dabei zu verzerren. Sogar wenn es sich um Firmung und Erstkommunion handelt, scheut er sich nicht, auch eine schwierige Lesung für Kinder verständlich auszulegen.
Am gestrigen Sonntag ging es um das Zeugnis Johannes' des Täufers (Jo 1, 29-34 - siehe Schott), aus dem das liturgisch wichtige Wort stammt: "Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt." Zugleich wurden im Verlauf dieser Messe die Erstkommunionkinder dieses Jahres der Gemeinde vorgestellt; die Predigt richtete der Pfarrer ausdrücklich an diese Kinder. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, auf die erste Lesung (Jes 49, 3.5-6: "Du bist mein Knecht, Israel, an dem ich meine Herrlichkeit zeigen will. [...] Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht."), denn schließlich benannte der Pfarrer es als eine Hauptaufgabe der Katechese zur Erstkommunion, Jesus Christus kennenzulernen. Stattdessen beschränkte er sich auf das Lamm Gottes und erzählte den Kindern (und damit auch uns Erwachsenen) eine Geschichte über ein Lamm namens Manuel, das das Unrecht unter den Schafen seiner Herde bemerkt und auf sie einzuwirken versucht.
Jesus als Sozialreformer - es ist ja durchaus ein Aspekt der Lehre Christi, dass eine Gesellschaft nur tragbar ist, wenn alle ihren Teil tun und ihrer verantwortung für die anderen, insbesondere die Schwachen, gerecht werden, aber gerade das Zeugnis Johannes' des Täufers und das Bild des "Lammes" hat damit nun wirklich nichts damit zu tun. Die prophetischen Worte des Täufers nehmen die Passion als Pessah-/Osterereignis vorweg - und genau das ist das Zeugnis, das am Anfang des Johannesevangeliums steht. Dass in diesem einen Satz die Rettung Israels verkündigt wird - nimmt man die Prophezeiung aus Jesaja dazu, die Rettung der ganzen Welt! -, wäre doch (so zumindest die mir bekannte Lesart) nicht das Schlechteste.
Die "Lieb Jesulein"-Katechese, die in einer harmlosen Geschichte von einem Lamm steckt, das seine Artgenossen tadelt und mit den ausgestoßenen schwarzen Schafen spielt, empfinde ich als zutiefst problematisch - gerade im Umgang mit Kindern. Wo Gott der nette Vater ist und Jesus der liebe Bruder, verliert der Glaube an Tragfähigkeit, sobald eine existenzielle Krise auftritt.
Man solle ja nicht glauben, dass unsere Kinder und Jugendlichen derart behütet aufwachsen, dass man solche Krisen vollständig von ihnen fernhalten könnte: schwache Leistungen im Sport, schlechte Noten, Lehrerwillkür, Mobbing durch Klassenkameraden, aber auch Schicksalsschläge wie der Tod eines nahen Verwandten oder Freundes können trotz der behütetsten Familienverhältnisse auftreten. und manche Form einer behüteten Kindheit ist auch eine Form von gut gepolsterter Käfighaltung. In diesen Fällen, in denen Kinder Trost und Halt für ihr Leid brauchen, ist ein dermaßen anthropomorphes, ja menschengleiches Gottesbild beileibe keine Hilfe.
Ich habe Verständnis dafür, dass man seinen Kindern den Anblick von Leid ersparen möchte. Die Pessah-Geschichte, die zur Befreiungslegende israels aus Ägypten gehört und den Ritus des Opferlamms begründet, ist eine Geschichte voller Gewalt und Leid - aber genau deshalb ist sie tragfähig.
Trotzdem: Ich schätze "unseren" Pfarrer. Ich werde ihm das sicher nicht nachtragen ;-) und hoffe, dass in der Katechese nicht bloß das Eiteitei des heute üblichen Reliunterrichts praktiziert wird. Gott sei Dank gibt es auch noch eine tüchtige Gemeindereferentin!

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