Freitag, 7. Januar 2011

Urteile über Urteile

Eigentlich sollte man dummes Zeug schlicht und einfach totschweigen; denn nicht umsonst gibt es den Spruch: "Sollen sie doch schimpfen, solange sie nur über uns reden!" - und davon lebt der Provokateur.

Außerdem klingt mir immer wieder eine kürzlich erst wieder gelesene Passage aus dem Evangelium nach Matthäus im Ohr:
1 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!
2 Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr meßt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden.
3 Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?
4 Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und dabei steckt in deinem Auge ein Balken?
5 Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.
(Mt 7,1-5)

Keine leichte Forderung - wie überhaupt die Lehren Christi nicht selten Forderungen enthalten, die menschliches Maß dem Anschein nach übersteigen. Aber letztendlich wird damit gezeigt, wie schwierig es für uns selbstbezügliche Lebewesen ist, sich der Bequemlichkeit spontaner Reaktionen zu entziehen, obwohl uns diese auf Dauer meist mehr schaden als nutzen. In einer Welt, die sich der Spontaneität verschrieben hat, müssen solche Forderungen geradezu absurd klingen.

Dass ein Journalist in seiner Kolumne "evangelikalen Gruppen wie konservativen Katholiken" Glaubwürdigkeit abspricht, weil sie "weltweit aktiv für den eigenen Glauben missionieren" subsumiere ich wohlwollend unter der Rubrik "Misslungene Pointen" - denn ausgerechnet dieser Berufsstand zeichnet sich ja dadurch aus meinungsbildend (!) tätig zu sein.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, dass u.a. SZ online es nicht versäumte,
die Solidaritätsbekundungen z.B. bei Facebook sowie die Demonstrationen zu erwähnen, die Muslime teilweise gemeinsam mit koptischen Christen veranstalteten, um den Anschlag von Alexandria zu verurteilen:
Nachdem es am Montagabend zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen war, blieben die Demonstrationen am Dienstagabend weitgehend friedlich. An einigen Demonstrationszügen beteiligten sich auch Muslime. An der islamischen Al-Azhar-Universität in Kairo versammelten sich etwa 2000 Studenten. Sie riefen: "Ich bin Muslim und ich lehne dies ab" und "Wir sagen nein zu denjenigen, die Ägypten in Brand setzen wollen". (Quelle)

Die vielen, die in den Ländern, die sich selbst zur freien Welt zählen, pauschal über "den Islam" und "die Muslime" urteilen, möchte ich schon
fragen, wie viele Muslime sie eigentlich kennen und was sie über den Islam tatsächlich wissen - abgesehen vom selektiv Wahrgenommenen, das die eigene schon feststehende Meinung nur weiter zementiert. Aus dem weichen Pfühl des Wohlstands und des sicheren Rechts auf freie Meinungsäußerung Forderungen zu stellen an andere, für die zumindest letzteres keineswegs sicher ist (oder war, wie im Falle der Generation unserer Großeltern), erscheint mir doch ein wenig wohlfeil. Denn wie las ich einmal in einem Kommentarthread von SZ online: "Nie gab es so viele Widerstandskämpfer gegen Hitler wie heute." ;-)

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